So umschreibt Martin Weber selbst den Wechsel der Hauptgeschäftsführung der KH Essen, der sich mit seiner Nachfolge auf Wolfgang Dapprich im Juli vollzog, nachdem er bereits seit 2021 Teil der Geschäftsführung war. Was er schon realisieren konnte und sich noch vorgenommen hat, darüber haben wir mit dem 49-Jährigen gesprochen.
Herr Weber, auch hier noch mal herzlichen Glückwunsch! Sie sind vor drei Jahren schon als Freund des Handwerks angetreten. Jetzt haben Sie das es noch besser kennengelernt. Gab es Überraschungen?
Vieles hat sich bestätigt, was ich schon im Gefühl hatte, besonders ein Eindruck hat sich vertieft: Handwerk ist bunt und vielfältig. Und man kann selten für das Handwerk im Allgemeinen sprechen, sondern muss jedes Gewerk einzeln betrachten. Vieles eint aber auch: Tradition oder die duale Ausbildung als ein Grundpfeiler des Innungshandwerks. Was mir noch positiv aufgefallen ist, ist die große Zahl von Familienunternehmen, die hier zum Teil schon seit Generationen am Markt tätig sind.
Sie wollten mithelfen, das Handwerk zukunftsfest zu machen. Was konnten Sie schon umsetzen?
Zunächst mal: Ich habe hier ein Haus übernommen, das auf soliden Beinen steht und wo in der Vergangenheit auch in schweren Zeiten die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Da sind viele Dinge in Gang gebracht worden, die zukünftig noch wichtiger werden; die Digitalisierung etwa, wo wir mit unserer Tochtergesellschaft LokalesHandwerk.de erfolgreich ein Alleinstellungsmerkmal im Innungshandwerk geschaffen haben. Zudem ist es uns gelungen, im Rahmen des Förderaufrufs GreenEconomy.IN.NRW das Projekt GreenCraft mit einem Fördervolumen von rund einer Million Euro ins Leben zu rufen, bei dem wir mit weiteren Partnern aus Handwerk, Wissenschaft und IT-Unternehmen die Plattform LokalesHandwerk.de noch zielgerichteter und besser für Unternehmen nutzbar machen möchten. Die Themen Klimaschutz und -anpassung haben in den letzten drei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Wir haben im Rahmen des kommunalen Klimaaktionsplans mit der Stadt Essen die Klima-Akademie auf den Weg gebracht, die seit Kurzem sehr erfolgreich mit Seminaren Mehrwert für Betriebe schafft, aber auch mit Infoveranstaltungen an Schulen mit der Ausbildungsoffensive für das Handwerk wirbt. Bei all diesen Projekten konnte ich mit meiner Netzwerk- arbeit sicher zum Gelingen und zur Beschleunigung beitragen.
Welche Hauptherausforderungen für das Essener Handwerk sehen Sie?
Für unsere Mitgliedsbetriebe sind das sicher der Fachkräftemangel, die Frage der Unternehmensnachfolge und die Bürokratie, die viel Potenzial bindet. Dazu kommt die Unzuverlässigkeit politischer Entscheidungen, die heute getroffen und morgen schon wieder über Bord geworfen werden. Ich denke hier etwa an die Förderung für E-Mobilität oder auch lokale Förderprogramme im Klimaschutz, das Hickhack um das GEG, das derzeit ja sogar Investitionen in Wärmepumpen verhindert, weil niemand weiß, was nach der Wahl 2025 kommt. Alle reden immer von der Bedeutung des Handwerks, bei Entscheidungen wird es aber auch gerne übergangen, wie etwa beim Wirtschaftsgipfel von Olaf Scholz, wo der Mittelstand außen vor blieb. Oder nehmen wir die duale Ausbildung, die in Sonntagsreden gerne mit der akademischen gleichgestellt wird. Wenn die ÜbL-Zuwendungen regelmäßig in Haushaltsberatungen infrage gestellt werden oder wenn man den Zustand von Hochschulen und Berufskollegs vergleicht, dann sehe ich da keine Gleichstellung.
Welche Themen wollen Sie jetzt verstärkt angehen?
Wir wollen noch stärker Dienstleister sein für unsere Mitglieder. Da ist etwa der neue 14-tägliche Newsletter ein Instrument, um in Kontakt zu treten und unsere Dienstleistungen bekannt zu machen. Es gibt außerdem immer noch sehr viele Betriebe, die über die Vorteile einer Innungsmitgliedschaft nicht informiert sind. Die wollen wir ansprechen und überzeugen. Aber auch da müssen wir neue Wege gehen. Wir haben zum Beispiel ein digitales Vortragsprogramm ins Leben gerufen, etwa ein sehr erfolgreiches Webinar zur E-Rechnung mit rund 100 Teilnehmern. Das wollen wir weiter ausbauen mit Angeboten zur Cybersicherheit oder Barrierefreiheit von Internetseiten. Auch beim Thema Nachwuchsgewinnung wollen wir unseren Mitgliedern Vorteile verschaffen, wie schon über das Portal ausbildungimessenerhandwerk.de, das schon jetzt sehr gute Zugriffszahlen hat und künftig um eine Praktikumsbörse erweitet werden soll, sowie natürlich bei den vielen Veranstaltungen, bei denen wir für eine Ausbildung im Handwerk werben.
Insgesamt will ich Gutes bewahren, aber auch neue Wege wagen und digitale Angebote weiter vorantreiben. Neben dem KH-Urgestein Harald Buscher sind mit Nadine Sasek und mir nun zwei Leute mit einem neuen Blick auf die Strukturen da.
Ich glaube, das ist eine gute Konstellation, um das Essener Handwerk erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Vielen Dank für das Gespräch
Jörn-Jakob Surkemper
Martin Weber
Aufgewachsen in Borbeck und Holsterhausen, Abitur am Helmholtz-Gymnasium in Rüttenscheid, engagiert Martin Weber sich bereits früh ehrenamtlich, zunächst als Messdiener und Schwimmtrainer. Das Studium im Ingenieurwesen hängt er zugunsten einer Karriere in der Gastronomie und Politik an den Nagel. Er wird Vorsitzender des FDP-Ortsvereins Essen-West, Beisitzer im Kreisvorstand und Mitglied im Vorstand der FDP Ruhr. Seit 2009 vertritt er Bürger und Partei in der Bezirksvertretung III. 2014 wird er hauptberuflich Geschäftsführer der FDP-Ratsfraktion, ehe er 2021 zur KH Essen wechselt. Privat engagiert er sich weiter ehrenamtlich in der FDP, wenn auch künftig nicht mehr als Mandatsträger, und seit letztem Jahr im Vorstand des Vereins Paten für Arbeit. Privat verbringt Weber gerne Zeit mit seinen beiden Töchtern (4 und 2 Jahre) und seiner Partnerin, mit denen er auf der Margarethenhöhe lebt.