Finanzen sind ein ein ebenso heikles wie essenzielles Thema – gerade jetzt, wo die Banken bei Finanzierungsanfragen besonders genau hinschauen.
Die Finanzierungssituation für Handwerksbetriebe bleibt auch 2025 angespannt. Zwar sind die Zinsen zuletzt wieder gesunken, was ein Hoffnungsschimmer ist angesichts der zuvor stark gestiegenen Fremdkapitalkosten. Doch die Kreditvergabe bleibt schwierig: „Banken bewerten ihre Risiken strenger, was vor allem kleinere, eigenkapitalschwache Betriebe spüren“, sagt Ute Pesch, Referatsleiterin Banken, Finanzierung und Förderung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Im Bau- und Ausbaugewerbe beispielsweise liege die Eigenkapitalquote bei über einem Drittel der Betriebe unter 10 Prozent. Im Kfz-Gewerbe und im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen seien die Zahlen ähnlich alarmierend. „Ohne ausreichende Rücklagen steigt die Abhängigkeit von Krediten und damit die Anfälligkeit gegenüber schwankenden Bedingungen.“
Hinzu kommt: Die Investitionsbereitschaft ist gering, viele Betriebe und Unternehmen halten sich angesichts der schwächelnden Konjunktur zurück. Bei der Investitionstätigkeit zeigt sich eine deutliche Bremse: Fast ein Drittel der Unternehmen investierte weniger als im Vorhalbjahr, meldet die Handwerkskammer (HWK) Münster im Rahmen ihrer aktuellen Frühjahrsumfrage. „Selbst bei stabiler Geschäftslage zögern viele Betriebe mit Investitionen“, so HWK-Präsident Jürgen Kroos. „Es fehlt die wirtschaftliche Planungssicherheit.“ Nicht besser sehen die Zahlen der HWK Düsseldorf aus: Der Geschäftsklimaindex fällt im Vergleich zum Vorjahr um drei Punkte auf 109 Zähler und bleibt damit deutlich unter dem langjährigen Mittelwert. Das schwache Investitionsklima erreicht mit 88 Punkten einen Tiefpunkt „Wir erleben eine verfestigte Investitionsschwäche im Handwerk. Ohne stärkere private Investitionen wird es keinen Aufschwung geben. Das Sondervermögen allein wird nicht reichen“, so HWK-Präsident Andreas Ehlert.

Die Franziskowski GmbH hat vor rund drei Jahren den Essener Karosserie- und Lackierfachbetrieb umgebaut, modernisiert – und „entsprechend groß investiert“, wie Stephan Franziskowski berichtet. Unter anderem wurden komplett neue Lackieranlagen installiert sowie ein neues Bürogebäude errichtet. „Für die Finanzierung haben wir uns ganz klassisch an die Hausbank gewandt.“ Teilweise wurden auch Förderungen genutzt, etwa von der KfW. „Dafür hatten wir spezielle Berater im Betrieb, die uns in Sachen Fördermitteln sehr unterstützt haben“, so Franziskowski. „Auf diese Weise konnten wir einiges an Geld einsparen. Das kann ich nur empfehlen.“ Derzeit ist das Team dabei, das Büro zu digitalisieren. „Unser Ziel ist es, zu mindestens 95 Prozent auf Papier-Prozesse verzichten zu können.“ Die nötigen Investitionen dafür kommen aus Eigenmitteln.
Zinsgünstige Darlehen
Dennoch gibt es laut Pesch Lichtblicke, vor allem bei staatlicher Unterstützung. „Förderkredite und Zuschüsse, etwa von der NRW.BANK oder der KfW, bieten Potenzial. So gibt es zinsgünstige Darlehen zur Digitalisierung, Energieeffizienz oder Unternehmensnachfolge.“ Als Beispiel nennt die ZDH-Expertin das Programm „NRW.BANK.Mittelstandskredit“, das Investitionen und Betriebsmittel auch für Handwerksbetriebe unterstützt. „Wichtig dabei ist eine gute Vorbereitung. Wer weiß, was er braucht, bekommt eher die passenden Mittel. Dazu gehört auch die interne Aufstellung. Gerade kleine Betriebe profitieren enorm von sauberer Kostenkalkulation, laufender Liquiditätsplanung und digital gestütztem Controlling.“ Betriebsberatungen der Handwerkskammern bieten hierzu individuelle Unterstützung.
Eine zentrale Rolle spielt inzwischen die Digitalisierung, nicht nur beim Kundengeschäft, sondern auch bei der Finanzierung. „Viele Kreditprozesse laufen inzwischen online: schneller, effizienter, mit weniger Papierkram. Doch gerade hier muss sichergestellt sein, dass die Anforderungen der Banken mit der Realität im Handwerk übereinstimmen“, so Pesch. Ein kleiner Dachdeckerbetrieb beispielsweise „ticke“ anders als ein Industrieunternehmen. „Das muss sich auch in den digitalen Fragebögen widerspiegeln.“
Auch Künstliche Intelligenz (KI) kann künftig helfen, etwa um Finanzprognosen zu erstellen oder Belege automatisiert zu erfassen. „Noch steckt vieles in den Kinderschuhen, aber die Richtung stimmt: mehr digitale Unterstützung, weniger Bürokratie“, so die ZDH- Fachfrau.
Zur „Optimierung und Digitalisierung interner Prozesse“, rät auch Jürgen Herzig, der auf mehr als zwanzig Jahren Bankpraxis zurückblicken kann und häufig Handwerksunternehmen als freier Berater begleitet. „Mehr Übersicht und Tempo schaffen digitale Tools wie zum Beispiel ,DATEV Unternehmen online‘ für das Rechnungswesen.“ Ein nächster Punkt, um die Finanzen unter Kontrolle zu halten und sich die Grundlagen für eventuell nötige Investitionen zu schaffen, ist der Umgang mit Kennzahlen, die den Erfolg und die Liquidität sicht- und überprüfbar machen. „Eine Handvoll richtiger Zahlen genügt oft schon, um das Unternehmen zu steuern und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.“
Wohin steuert der Betrieb?
Auch das Planungswesen ist nicht zu unterschätzen: „Man muss wissen, wohin das Unternehmen steuert. Eine verbindliche Rentabilitätsplanung mit festen Umsatz- und Kostenbudgets sowie regelmäßigen Soll-Ist-Vergleichen schafft Sicherheit für unternehmerische Entscheidungen“, so der Berater. Ähnliches gilt bei der Liquidität. „Freiräume für unternehmerische Entscheidungen, wie zum Beispiel für Investitionen oder für Wachstum, entstehen durch ausreichenden Spielraum, etwa durch ausreichende Kreditlinien.“ Nicht zuletzt sollten Betriebe ihr Rating bei den Banken kennen. „Eine gute Bonität kann entscheidend sein. Gegebenenfalls sollte man sich beizeiten nach Verbesserungsmöglichkeiten erkundigen.“ Das ist unter anderem für ausreichende Kreditlinien wichtig. „In guten Zeiten hat man sie nicht gebraucht, in schlechten bekommt man sie nicht mehr.“
Herzig weiß aus der Beratungspraxis, dass vor allem auf junge, unerfahrene bzw. auf stark gestresste Unternehmerinnen und Unternehmer diverse Risiken lauern. „Es kommt immer wieder vor, dass keine Zeit für interne Aufgaben wie Rechnungswesen und Finanzen bleibt, weil das Tagesgeschäft auf der Baustelle und in der Werkstatt vermeintlich vorgeht.“ Rechnungen würden erst mit großer zeitlicher Verzögerung nach Leistungserbringung geschrieben. Auf Zahlungsverzug werde nur schleppend reagiert. „Auch das kann sich schnell rächen.“ Hohe Forderungen an Kunden und ein großes Waren- und Vorratslager können zu „Liquiditätsfressern“ werden. „Man muss sich die Zeit am Schreibtisch nehmen oder die Aufgaben delegieren. Ohne fundierte Kalkulation und Projektcontrolling geht es nicht, sonst setzt man für Aufträge womöglich zu wenig Arbeitszeit oder zu geringe Stundensätze an. Irgendwann laufen dann die Kosten davon.“
„Es mag banal klingen, aber so mancher Betrieb weiß nicht, wo genau er wirtschaftlich und finanziell steht.“ Davor schützt eine hohe Qualität beim Rechnungswesen und ein gewisses Verständnis für Zahlen. „Die Bilanz und die BWA sollte man beurteilen können, um Warnsignale rechtzeitig zu erkennen“, sagt Herzig.
„Jeder Betrieb ist anders“, so Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Carsten Nicklaus, Vorsitzender des Steuerberaterverbands Düsseldorf. „Es gibt Inhaber, die sogar selbst schon in der Buchhaltung gearbeitet haben und eine BWA lesen können. Ich kenne aber auch durchaus erfolgreiche Unternehmer, die sich damit nicht befassen wollen und diese Dinge komplett ihrem Steuerberater anvertrauen.“
Die BWA ist kostbar
Seine Empfehlung lautet, die BWA als „kostbarstes Produkt des Steuerberaters“ zu nutzen. „Anders als die Steuererklärung, die zeitlich immer oftmals weit hinterher hinkt, liefert die monatliche Auswertung hochaktuelle Zahlen und ist damit zum Steuern der Betriebsfinanzen ideal.“ Die Aussagekraft und damit den Wert der BWA für den Unternehmer kann man jedoch noch weiter erhöhen: Nur ein Beispiel: Im Juni und Dezember zeigen sich dramatische Ausschläge beim Personalaufwand, weil in diesen Monaten Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausgezahlt werden. „Vielleicht kann es Sinn machen, diese Beträge stattdessen übers Gesamtjahr zu verteilen.“
Nicklaus rät dazu, sich – insbesondere für das Bankgespräch – zumindest die wesentlichen Grundlagen anzueignen: „Man sollte mindestens den Umsatz und Gewinn des letzten Geschäftsjahres parat haben und auch entsprechende Prognosen für die nächste Zukunft abgeben können.“ Denn: Wer eine Fremdfinanzierung benötigt, sollte zeigen, dass er seine Zahlen „im Griff hat“ und dadurch einen guten Eindruck bei der Bank machen. „Da kommt es nicht gut rüber, wenn der Steuerberater daneben sitzt und alles zuflüstern muss.“
Wichtig sind also professionell aufbereitete Zahlen. Schon allein aus diesem Grund könne er keinem Betrieb guten Gewissens empfehlen, gänzlich auf Steuerberaterleistungen zu verzichten, so Nicklaus. „Klar, ein Steuerberater kostet Geld – und auch nicht wenig. Doch wenn ich mich als Laie auf diesem Feld versuche, benötige ich die dreifache, vielleicht sogar die vierfache Zeit. Diese Stunden könnte ich auf der Baustelle oder in der Werkstatt besser, sprich lukrativer einsetzen. Das rechnet sich keinesfalls.“
Um die Kosten für externe Buchhaltung und Steuerberatung möglichst gering zu halten, sollten Betriebe lieber auf eine effiziente Vorbereitung setzen. „Es gibt zwar hier und da noch den berühmten Schuhkarton mit Belegen, der einmal monatlich abgegeben werden.“ Doch dieses veraltete System ist sehr teuer: „Im Steuerbüro müssen die einzelnen Belege erst aufwändig sortiert und gegebenenfalls digitalisiert werden. Da kommt ganz schön was an Stunden zusammen.“
Viel sinnvoller sei es, direkt im Betrieb digital zu arbeiten und entsprechende Tools für den Austausch mit dem Steuerberater zu nutzen, etwa ein Belegaustauschportal, über das auch Auswertungen abgerufen werden können. „Das spart Arbeitsschritte und versetzt die Unternehmen zugleich in die Lage, Auswertungen selbst mit wenigen Mausklicks aufzurufen und zu erstellen. Für den Überblick ist das Gold wert.“
Möglichst „papierlos“ werden Wer schon länger über das „papierlose Büro“ nachdenkt, sollte nach Ansicht des Verbandsvorsitzenden jetzt handeln: „Ab 2028 müssen ohnehin alle B2B-Rechnungen als E-Rechnung abgewickelt werden, um rechtskonform zu agieren. Warum sollte man diesen Schritt hinauszögern? Zumal die Rechnungen so schneller beim Kunden sind und der Kunde damit schneller bezahlen kann, was sich wiederum positiv auf die Liquidität auswirkt.“
Ein pragmatischer Ansatz, um die Finanzen im Blick zu behalten, ist laut Nicklaus das sogenannte „3-Konten- Modell“. „Bank-Konto Nummer 1 ist für alle laufenden betrieblichen Ein- und Auszahlungen. Konto 2 ist für die Steuerzahlungen in der Zukunft.“ 30 bis 40 Prozent des monatlichen Gewinns sollten – je nach Rechtsform und Einkommenshöhe – hierhin fließen. Auf das sogenannte Investitionskonto (Bank-Konto 3) werden Beträge auf Basis der bisherigen Abschreibungen überwiesen. „So spart man Mittel für die nächste Anschaffung an, etwa einen Lkw oder eine Maschine.“ „Ein stimmiges Geschäftsmodell und eine klare Zahlen-Struktur sind die beste Basis für langfristigen und nachhaltigen Erfolg, bei Bedarf auch mit Kredit-Unterstützung.“
Fazit: „Die Finanzierung im Handwerk bleibt anspruchsvoll, ist aber machbar. Wer sich frühzeitig mit Fördermöglichkeiten, digitaler Unterstützung und betriebswirtschaftlicher Planung auseinandersetzt, erhöht seine Chancen deutlich“, sagt Ute Pesch vom ZDH.
Daniel Boss