Wird Beratungsleistung bezahlt?
Trotz deutlicher Zunahme bei der Installation von Wärmepumpen, Wallboxen und PV-Anlagen, setzt Detlef Mikitta weiterhin auch auf den klassischen Elektro-Bereich. So war die spürbare Zurückhaltung bei den Anfragen in diesem Jahr für seinen Betrieb auch kein Problem. „Der ganz große Run hat offensichtlich erst mal etwas nachgelassen“, sagt der Inhaber der Elektro Eisert GmbH aus Essen. Für die neuen Geschäftsfelder hat er seine Mitarbeiter intensiv fortgebildet. „Schulungen, Schulungen, Schulungen – ohnedem geht es einfach nicht.“ Bei der Ausbildung hängen seiner Erfahrung die Lehrpläne allerdings noch ziemlich hinterher. „Da müssen wir als Betrieb selber unterweisen.“ Insgesamt sei sein Geschäft sehr viel beratungsintensiver geworden. „Da hilft mir meine Qualifikation als Energieberater im Handwerk enorm“, betont Mikitta. Heute gehe es eben immer seltener nur um Elektro-Installationen, sondern zunehmend um die Klima- und Energietechnik für den gesamten Bau. Er könne mit seinem Hintergrundwissen deutlich besser beraten und das sei meist schon für das Angebot erforderlich. „Die Frage ist allerdings, wird diese oft aufwendige Beratungsleistung in Zukunft auch bezahlt?“
Das Handwerk spielt eine entscheidende Rolle bei der Energiewende. Trotz rasanten technologischen Wandels und Personalmangels ist die Branche durch angepasste Ausbildungspläne, konsequente Weiterbildung, innovative Qualifizierungsformate und gewerkeübergreifende Kooperationen bereits gut gerüstet.
Für die Energiewende müssen Handwerksbetriebe sich nicht nur selbst wandeln, auch bei der flächendeckenden Umsetzung spielen sie eine entscheidende Rolle. Neben PV-Anlagen, neuen Heizungen, Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität, sind derzeit zunehmend integrierte Energiemanagementsysteme und energetische Komplett-Sanierungen gefragt. Neue gesetzliche Vorgaben und Förderanreize haben bei allen „Klima-Gewerken“ zeitweise zu boomartigen Nachfragesteigerungen geführt.
Zusätzliche Fachkräfte nötig
Qualifizierte Mitarbeiter, um die zusätzlichen Aufträge zu stemmen, sind jedoch weiterhin schwer zu bekommen. „Die steigende Nachfrage in der Wind- und Solarbranche verschärft die Konkurrenz um die ohnehin knappen Fachkräfte“, bestätigt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Damit die Energiewende gelingt, werden in Deutschland mindestens 300.000 zusätzliche Beschäftigte benötigt. Dabei müssen die gesuchten Fachkräfte auch die passenden Kompetenzen für die Umsetzung der Energiewende mitbringen.“ Das hat eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung ergeben. Eine Kompetenzlücke, wie sie die Studie ausgemacht hat, sieht jedoch der Zentralverband des Dachdeckerhandwerks (ZVDH) nicht und hat dem entschieden widersprochen. „Die Kompetenz zur Montage von Photovoltaikanlagen ist bereits seit Jahren fester Bestandteil unserer Ausbildung und wird kontinuierlich weiterentwickelt“, stellt dessen stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter des Bereichs Berufsbildung im Dachdeckerhandwerk, Rolf Fuhrmann, noch einmal klar. „Seit 2016 bietet unsere Ausbildungsordnung außerdem das Schwerpunktthema ‚Energietechnik an Dach und Wand‘ und seit 2022 gibt es die Weiterbildung zum ZVDH-zertifizierten PV-Manager“, erklärt Fuhrmann. Auch der Zentralverband der Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) hat seine Ausbildungsberufe 2021 überarbeitet und in diesem Zuge den Beruf „Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration“ geschaffen. Der ist auf die Vernetzung und Integration unterschiedlicher Systeme, wie PV, Wärmepumpe, Wallbox und Energiemanagement spezialisiert und auf gewerkeübergreifendes Arbeiten ausgerichtet. „Er wurde damit explizit für die Energiewende konzipiert“, betont ZVEH-Sprecherin Maren Cornils.
„Maler sind schon lange Spezialisten für die Energiewende“, stellt Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, fest. „Den zweitgrößten Umsatzanteil erwirtschaften unsere Betriebe mit Arbeiten an der Fassade und dort liegt auch das größte Energieeinsparpotenzial“, so Bucksteeg. „Diesem Anspruch tragen wir in unserer Ausbildung seit 2021 mit der Fachrichtung ‚Energieeffizienz- und Gestaltungstechnik‘ Rechnung.“
Weiterbildung muss sein
Trotz des vorhandenen Know-hows im klassischen Handwerk, sorgen neue Technologien und Materialien selbst bei erfahrenen Mitarbeitern für einen großen Weiterbildungsbedarf. Hier haben die Fachverbände schnell reagiert und bieten über ihre jeweiligen Bildungseinrichtungen eine Vielzahl von speziellen Qualifizierungen an. Vor Ort bietet zum Beispiel auch die KH Essen mit ihrer Klima-Akademie Fortbildungen und eine Online-Plattform mit umfangreicher Information. Auch die KH Düsseldorf hat mit der Umweltakademie eine eigene Wissensplattform für die Weiterbildung von Fachhandwerkern in umwelt- und klimarelevanten Berufszweigen geschaffen. Neben den Instrumenten der beruflichen Bildung sieht der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in hybriden Qualifizierungsformaten einen weiteren Baustein, um Fach- und Führungskräfte für die Umsetzung der Energiewende fit zu machen. So startet zum Beispiel die Hochschule Düsseldorf (HSD) in Kooperation mit dem Fachverband Sanitär Heizung Klima NRW und der Umweltakademie der KH Düsseldorf zum Wintersemester 2024/25 den neuen Studiengang „Haus-, Energie- und Anlagentechnik“ (HEAT). Dieser kombiniert eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Meister mit einem Bachelor-Studium zum Ingenieur. „Die Anforderungen an das SHK-Handwerk steigen enorm, denn nicht nur die bloße Anzahl an relevanten Technologien, wie Umweltwärmequellen oder Wärmeerzeugung auf der Basis von Biomasse, nimmt stark zu, auch die Technik wird immer komplexer“, weiß HSD-Präsidentin Prof. Dr. Edeltraud Vomberg. „Hybride Lösungen, also die Kombination mehrerer Technologien sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dabei muss das Zusammenspiel aller Komponenten sinnvoll integriert werden.“ Heute gebe es nicht mehr nur eine richtige Lösung, sondern individuelle auf das Gebäude abgestimmte Konzepte. „Ein Studiengang wie HEAT kann zudem das Handwerk für junge Erwachsene mit Hochschulzugangsberechtigung attraktiver machen.“
Wege aus dem Fachkräftemangel
Um potenzielle Mitarbeiter zu erreichen, die für die klassischen Ausbildungswege aus verschiedensten Gründen nicht in Frage kommen, werden derzeit unter anderem im Dachdeckerhandwerk Teilqualifikationen erarbeitet. „Damit sprechen wir ganz neue Zielgruppen an und ermöglichen es angehenden Fachkräften, gezielt in Teilbereichen des Berufs weitergebildet zu werden“, erklärt Rolf Fuhrmann. Dieser Ansatz erleichtere den Einstieg ins Berufsleben und ermögliche es Quereinsteigern, sich in der Branche zu etablieren. „Angesichts der dringend benötigten Fachkräfte ein notwendiger Schritt, um die Energiewende umzusetzen.“
Zusatzqualifikation Energieberater
Auch die Anforderungen der Kunden sind gestiegen. Zunehmend gefragt sind umfassende gewerkeübergreifende Beratung und Unterstützung bei der Beantragung von Fördergeldern. Mit der Qualifikation zum Gebäudeenergieberater im Handwerk können Handwerksmeister diesen Anspruch erfüllen. Seit 1994 sind nach Auskunft des ZDH bundesweit allein bei den Handwerkskammern mehr als 36.000 Prüfungen erfolgreich abgeschlossen worden. Um individuelle Sanierungs-Fahrpläne für Gebäude zu erstellen und Anträge für Förderprogramme des Bundes zu begleiten, muss der Energieberater aber in der offiziellen Energieeffizienz-Expertenliste eingetragen sein. „Aktuell erarbeiten wir in einem Arbeitskreis eine Aktualisierung der Prüfungsordnung, um neue Anforderungen zu berücksichtigen“, berichtet Mathias Bucksteeg. Automatisch zu mehr Umsatz führe die Zusatzqualifikation allerdings nicht. „Der Gebäudeenergieberater im Handwerk darf nicht zugleich ein Förderprojekt begleiten und die Sanierungsarbeiten selbst ausführen.“
Es geht nur gemeinsam
Die zunehmende Vernetzung von Strom-, Wärme- und Gasnetzen, komplexe energetische Sanierungen und integrierte Lösungen führen heute vermehrt zu Überschneidungen in den Gewerken. Die Nachfrage steigt. So ist zum Beispiel bei der Installation von Wärmepumpen Know-how von SHK-Gewerk und Elektro-Handwerk gefragt, bei der Installation von PV-Modulen auf Dächern das von Dachdecker- und Elektro-Handwerk. „Die Energiewende ist am Ende nur zu stemmen, wenn alle Klimahandwerke zusammenarbeiten und ihre Kompetenzen bündeln“, ist ZVEH-Sprecherin Maren Cornils überzeugt. „Durch Kooperation mit anderen Gewerken können wir Prozesse vereinfachen und effizienter gestalten, weil jedes Gewerk seine Stärken und seine Kompetenz einbringt.“ Die Verbände der Klimahandwerke haben diese Entwicklung schon früh erkannt und eine ganze Reihe von Kooperationen vereinbart. So gibt es zum Beispiel seit 2022 eine Vereinbarung über gewerkeübergreifende Zusammenarbeit zwischen Elektro- und SHK-Handwerk sowie zwischen Elektro- und Dachdeckerhandwerk. Seit 2023 besteht außerdem eine Vereinbarung mit den Kälte- und Klimaanlagenbauern. Auch auf lokaler Ebene arbeiten viele Betriebe vertrauensvoll mit festen Partnern zusammen. In Duisburg zum Beispiel treffen sich die Gewerke regelmäßig bei einem von der Dachdecker- und der Elektro-Innung organisierten Stammtisch.
Und wie geht’s weiter?
Wirklich problematisch für das Handwerk ist aber die unkalkulierbare und oft intransparente Förderlandschaft, die bei den Bauherren zu Unsicherheit und Zurückhaltung führt. „Wenn die Energiewende gelingen soll, dann brauchen wir Planungssicherheit durch den Aufbau einer langjährigen und stabilen Förderkulisse für alle Bereiche,“ stellt Bucksteeg klar. „Darüber hinaus müssen bürokratische Hürden abgebaut werden“, ergänzt Cornils. „Die Handwerksbetriebe ächzen unter der Last von Dokumentationspflichten, hochkomplexen Genehmigungsverfahren sowie immer mehr Verordnungen.“ Speziell für das Elektrohandwerk seien zudem die mangelnde Erreichbarkeit und fehlende Rückmeldung von Netzbetreibern ein großes Problem. Klar ist, dass der wachsende Fachkräftebedarf im Klimahandwerk langfristig nur gedeckt werden kann, wenn sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden.
„Deshalb muss die berufliche Ausbildung der akademischen gleichgestellt werden“, fordert Fuhrmann. „Dazu gehört unter anderem eine deutlich bessere finanzielle Unterstützung von Lehrwerkstätten und Berufsschulen.“
Foto: André Chrost
Immer schwieriger zu planen
„Bei uns haben energetische Sanierungen und der Bereich PV-Anlagen immens zugenommen“, sagt Torsten Bas, Inhaber des Essener Dachdeckerbetriebs Bas Bedachungen. „Leider fehlt uns das Personal, um das abzufedern.“ Im Zuge kompletter Dachsanierungen plant und verkauft er Solaranlagen inzwischen auch selbst. Sein Sohn hat sich gleich nach der Meisterprüfung als PV-Manager im Dachdeckerhandwerk qualifiziert. „Man muss sich schon sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen und sich regelmäßig fortbilden, um am Ball zu bleiben.“ Die größte Herausforderung seien allerdings Organisation und Planung gewesen. „Bei stetig steigenden Vorläufen von bis zu acht Monaten und immer komplexeren Projekten wurde es zunehmend schwieriger, zuverlässig zu planen und zu terminieren“, berichtet Bas. „Deshalb haben wir ein ganz neues System für Zeiterfassung und Arbeitsplanung eingeführt – ein sehr aufwendiger und zeitraubender Prozess.“ Vor-Ort-Besuche macht er wegen der Vielzahl der Anfragen derzeit nur noch, wenn die Kunden nach dem ersten Angebot weiterhin interessiert sind. „Vieles kläre ich vorab aus dem Büro. Jeden Interessenten zu besuchen, das ist einfach nicht mehr drin.“
Julika Kleibohm