Mit Innovation an die Spitze

Das Thema Personal zieht sich wie ein roter Faden durch die Vita von Annabelle Brandes. Seit drei Jahren bereitet die 44-jährige Beigeordnete die Stadt Essen auf den demografischen Wandel vor und macht die Verwaltung digitaler – offenbar mit Erfolg.

Die großflächigen, farbenfrohen Kunstwerke und die grünen Stuhlpolster in ihrem Büro setzen bewusst Farbtupfer in die Stadtverwaltung, die sonst eher in dunklen Tönen daherkommt. Auch inhaltlich hat Annabelle Brandes neue Impulse in die Verwaltung gebracht: Menschenorientierter, transparenter und effizienter will sie diese gestalten, seit sie im Juni 2022 den neu geschaffenen Geschäftsbereich 1 für Personal, Allgemeine Verwaltung und Digitalisierung übernommen hat – neu geschaffen angesichts des jetzt schon spürbaren Fachkräftemangels.
Eines ihrer Hauptarbeitsfelder aktuell: eine groß angelegte Mitarbeiterbefragung unter dem Motto „Mal ehrlich, wie isset? Zeit, Klartext zu reden“. Die Erkenntnisse dieser Befragung, die nacheinander in den einzelnen Geschäftsbereichen noch bis Ende 2026 läuft, sollen die Arbeitsbedingungen und -kultur, Führung sowie die Gesundheit verbessern.
Auch die Einführung sogenannter Exitgespräche mit Mitarbeitern, die die Verwaltung für einen anderen Arbeitgeber verlassen, lieferte bereits wertvolle Erkenntnisse, so Brandes. Zwar waren Wechselgründe oft individueller Natur, zum Beispiel Wohnortnähe, und ließen sich nicht direkt beeinflussen, „es zeigte sich aber, dass Kollegialität, flexible Arbeitszeitmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten wichtige Elemente des Wohlbefindens am Arbeitsplatz sind. Daraus ziehen wir die Konsequenz, noch stärker in die Mitarbeitendenbindung zu investieren und unsere Angebote entsprechend anzupassen. Den ein oder anderen Mitarbeitenden konnten wir auch zurückgewinnen“, so Brandes. Neue Formate wie die in diesem Jahr erstmals durchgeführte Elternmesse mit 100 Teilnehmern dienten dazu, den Kontakt zu Mitarbeitern in Mutterschutz oder Elternzeit aufrechtzuerhalten. Das neu gegründete „Eltern Office“ unterstützt gezielt Mitarbeitende mit Kindern, mit reduzierter Stundenanzahl während der Elternzeit im Beruf zu bleiben.

Neue Arbeitgebermarke
Weitere Schritte für noch mehr Arbeitgeberattraktivität seien bereits in der Umsetzung: „Wir sind gerade dabei, eine eigene Arbeitgebermarke für die Stadt Essen zu entwickeln, deren Launch zum Ende des Jahres erfolgen soll.“ Auch die Führungskultur stehe auf dem Prüfstand; man habe neue moderne und zeitgerechte Führungsleitlinien entwickelt. Und: Unsere neu geschaffene Führungsakademie hilft uns dabei, diese umzusetzen“, so Brandes.
Die neu gegründete Abteilung „Talente, Trends und Marketing“ soll zudem innovative und zielgruppengerechte Formate entwickeln, um neue Mitarbeiter anzusprechen. „So bespielen wir mittlerweile adressatengerecht fast alle gängigen Social-Media-
Kanäle wie TikTok, Instagram und Co. sowie unseren Podcast „Filterkaffee und Faxgeräte“ auf Spotify und ermöglichen inzwischen auch Bewerbungen per WhatsApp.“
Die Bemühungen zahlen sich offenbar aus: Innerhalb von drei Jahren konnte Brandes die Mitarbeiterschaft um rund 1.000 neue Kollegen netto auf rund 11.400 Mitarbeitende vergrößern – schon ein gutes Polster für die rund 2.400 altersbedingten Abgänge in den nächsten zehn Jahren. Brandes ist zuversichtlich, diese Verluste durch Neuzugänge zu kompensieren – nicht zuletzt durch die eigenen Ausbildungsbemühungen; aktuell bereiten sich über 1.000 Nachwuchskräfte auf eine Arbeit in der Verwaltung vor. Das InOffice – die erste kommunale Ausbildungsfirma in Deutschland – unterstützt die Fachbereiche bei der praktischen Ausbildung. Auch wenn die Stadtverwaltung in der IT, der Medizin, dem Sozial- und Erziehungsdienst sowie im Ingenieurwesen mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat, könne sie gegenüber der Privatwirtschaft mit einer besonders sinnstiftenden Tätigkeit punkten und damit, die eigene Stadt mitgestalten zu können.

Digital von Platz 28 auf neun
Dabei soll die Digitalisierung Mitarbeitern und Bürgern das Leben gleichermaßen erleichtern – zweiter großer Arbeitsbereich der Diplom-Verwaltungswirtin. Konkrete digitale Projekte sind etwa die neue Terminmanagement-Software zur Reduzierung von Wartezeiten oder das ständig wachsende Serviceportal für Online-Dienstleistungen, darunter die elektronische Fahrzeugan-, -um- und -abmeldung, bei der bereits 15 Prozent der Anträge automatisiert bearbeitet würden. Die E-Akte werde schrittweise eingeführt, und auch Betriebe könnten viele Verwaltungsangelegenheiten bereits online erledigen, etwa Baugenehmigungen, Anträge auf Wiedergestattung eines Gewerbes, Gewerberegisterauskünfte und weitere Vorgänge rund um die Gewerbesteuer. Speziell Handwerker könnten den Handwerkerparkausweis sowie die Ausnahmegenehmigung zum Befahren einer Fußgängerzone bequem online beantragen.
Der „Bitkom Smart City Index“ belohnte Annabelle Brandes‘ Bemühungen bereits: die Stadt Essen kletterte im Ranking von Platz 28 auf Platz 9 (von 83). Unter den 53 Kommunen im Digitalindex Ruhr belegte sie zuletzt Platz 4. Trotz dieser Fortschritte gibt es weiterhin Herausforderungen, insbesondere bei der Vernetzung von Daten zwischen verschiedenen Ämtern. Das liege oft an unterschiedlichen Fachverfahren und dem Fehlen einer einheitlichen Bürgerdatenbank in Kommunen – ein komplexes Thema mit hohen Datenschutzanforderungen. Mit dem Aufbau eines KI-Kompetenzcenters und unter dem Motto „KI assistiert, der Mensch entscheidet“ stellt Brandes darüber hinaus die Weichen für die Zukunft.

Wegweiser Berufsberatung
Brandes liebt die Arbeit mit Menschen, wie sie betont, und die Möglichkeit, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit sich Mitarbeitende wohlfühlen und gerne zur Arbeit kommen. Obwohl sie mobiles Arbeiten und Homeoffice unterstützt, sei sie meist vor Ort für die Mitarbeitenden ansprechbar. Ihr Werdegang wirkt rückblickend gradlinig; dabei wusste die gebürtige Hagenerin nach der Schule noch nicht, wo es hingehen sollte. Die Berufsberatung des damaligen Arbeitsamtes überzeugte Brandes von einer Karriere im eigenen Hause. Und so begann sie ein duales Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin bei der Bundesanstalt für Arbeit. Später kam berufsbegleitend noch ein Diplom in Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Arbeit, Personal und Organisation an der Ruhr-Uni Bochum hinzu. Fast 20 Jahre lang war Brandes bei der Bundesagentur für Arbeit in verschiedenen Funktionen tätig, darunter als Personalreferentin, und -beraterin sowie Leiterin des Internen Service in Köln, wo sie den zweitgrößten Verwaltungsstützpunkt der Agentur leitete. Auch als Geschäftsführerin Operativ in Dortmund sammelte sie Erfahrungen im Arbeits- und Ausbildungsmarkt und arbeitete eng mit Kommunen und Kammern zusammen. Bevor sie nach Essen kam, war sie von 2019 bis 2022 Beigeordnete in Wesel, zuständig für Zentrale Dienste und Gebäudeservice.
Annabelle Brandes hat ihre Heimat rund um Hagen nie ganz verlassen; die Bindung zu Familie und Freunden war ihr immer wichtig und nimmt weiterhin einen großen Stellenwert in ihrer knappen Freizeit ein. Außerdem besucht sie gerne Sportveranstaltungen jeglicher Art (beim Fußball Borussia Dortmund und Rot-Weiss Essen) und genießt es, in der Natur zu sein, etwa beim E-Mountainbiking. Annabelle Brandes lebt mit ihrem Lebenspartner in Ennepetal.
Jörn-Jakob Surkemper

Foto: Kerstin Bögeholz

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