Handwerker verzweifelt gesucht

Es wird gemauert, gestrichen und gefliest was das Zeug hält. Handwerker haben so viel zu tun, dass Aufträge immer länger liegen bleiben oder gar nicht mehr angenommen werden. Der Handwerkermangel führt zu Frust – beim Kunden wie auch beim Handwerk selbst.

Katharina Lüssen aus Stuttgart ist so richtig genervt. Monatelang suchte sie händeringend Handwerker für die Renovierung ihrer großen Altbauwohnung.

Neun Malerbetriebe rief sie an, sechs wiesen sie gleich am Telefon ab, zwei versprachen ein Angebot und schickten keines, einer erschien zum Ortstermin und gab ein „utopisches, nicht marktgerechtes Angebot“ ab. Nie hätte die gut verdienende Marketingmanagerin, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, auf Schwarzarbeit zurückgreifen wollen – und tat es notgedrungen doch. „Ich habe einfach niemanden gekriegt“, sagt die 51-Jährige.

Der eklatante Mangel an Handwerkern ist spürbar an allen Ecken und Enden. Die Auftragsbücher sind rappelvoll. Die Kunden warten oft viele Wochen – „vielfach scheint der Termin beim Facharzt einfacher zu bekommen, als der beim Klempner“, sagt Claus Michelsen, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Bei den Kunden nimmt der Frust vor allem aufgrund der langen Wartezeiten und gleichzeitig hohen Rechnungen zu“, sagt er.

Auch die Architektenkammer Baden-Württemberg bekommt dies von ihren Mitgliedern gespiegelt. „Die Kollegen vor Ort klagen darüber, dass man Monate warten muss, bis der entsprechende Handwerker seine Aufträge abarbeitet“, sagt Jochen Stoiber, der bei der Kammer als Referent für Architektur und Technik tätig ist.

Bei öffentlichen Bauvorhaben sei dies ein fast noch größeres Problem als im Privatkundenbereich. „Aufträge müssen öffentlich ausgeschrieben werden – zeitweise bewirbt sich kein einziger Anbieter“, sagt Stoiber. Der Kammer seien zudem Fälle bekannt, „da geht zwar ein Angebot ein – aber das ist erkennbar so formuliert, dass der völlig ausgebuchte Handwerker den Auftrag gar nicht will.“

In der Branche ist das Problem seit Jahren bekannt und im Zuge des viel beklagten Fachkräftemangel ausführlich beschrieben. Von rund 150.000 offenen Stellen im Handwerk im Jahr 2017 berichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unter Berufung auf die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Laut ZDH liegt die Zahl „vermutlich noch deutlich höher, weil längst nicht alle offenen Stellen beim Arbeitsamt gemeldet werden“. Jedes Jahr fehlten zudem zwischen 15.000 bis 20.000 Auszubildende – wohl auch in diesem Jahr.

Die Folge: Handwerker sind knapp „und können sich ihre Aufträge aussuchen und entsprechend hohe Preise aufrufen“, sagt Michelsen. Der jahrelange Unterbietungskampf der Betriebe habe sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt. „Es gibt definitiv keinen Preiswettbewerb mehr“, bekräftigt Stoiber.

Ob das alles auch Folgen für den Ruf von Handwerkern oder die Qualität ihrer Arbeit hat? Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verneint dies für ihren Beritt. „Sicher ist es sehr schwer, einen Handwerkerker zu finden“, sagte Matthias Bauer von der Abteilung Bau und Wohnen. „Aber dass da vermehrt geschludert wird, kann ich nicht bestätigen.“ Die Zahl der Beschwerden über Handwerkermängel oder Handwerkerrechnungen – rund 500 jährlich – sei in etwa unverändert.

Statistiken dazu gibt es nach Worten Michelsens ohnehin nicht. Für ihn ist aber klar, dass der Termindruck bei den Unternehmen Spuren hinterlässt. „Die höheren Preise und die langen Wartezeiten kratzen am Image des soliden Handwerks.“ Bauer fügt hinzu: „Es ist längst kein Verbrauchermarkt mehr. Sondern ein Handwerkermarkt.“ Ihm bereitet Sorgen, dass sich mehr und mehr unseriöse Anbieter breit machen könnten. „Leute, die nicht mal einen Meistertitel haben, führen dann beispielsweise Elektroarbeiten aus.“

Dass durch den Handwerkermangel langfristig auch die Schwarzarbeit profitieren könnte, glaubt Michelsen aber nicht und auch Bernhard Boockmann vom Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) verneint dies. Gute Konjunktur verdränge in der Regel Schattenwirtschaft, sagt der Wissenschaftler. „Es könnte aber sein, dass wegen der hohen Nachfrage vermehrt Betriebe vor allem aus Osteuropa auf den deutschen Markt strömen.“

Lüssens Wohnung ist inzwischen übrigens gestrichen. „Der polnische Handwerker hat sehr zuverlässig und akkurat gearbeitet und einen Stundenlohn von nur 20 Euro verlangt“, erzählt sie. Sie will ihn bei nächster Gelegenheit wieder anrufen.

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