Fachkräfte,Technik, Zukunft der Ausbildung

Rüdiger Duckheim ist seit November 2023 Schulleiter des Berufskollegs Essen-Mitte (BKM), das u. a. angehende Kfz-Mechatroniker und Anlagenmechaniker SHK besuchen. Im Interview spricht der 46-Jährige über Technik, Startchancen und den engen Draht zu den Innungen.

Herr Duckheim, was steht aktuell auf Ihrer Agenda?
Rüdiger Duckheim: Wir beschäftigen uns intensiv mit der Planung des nächsten Schuljahres, was auch die Suche nach geeigneten Lehrkräften einschließt, was aktuell anspruchsvoll ist. Inhaltlich arbeiten wir stark an der Sicherung der Ausbildungsfähigkeit unserer Schüler. Vor diesem Hintergrund nehmen wir am Startchancen-Programm teil, der größten Bildungsinitiative seit Bestehen der Bundesrepublik. Ziele sind u.a.: Förderung der Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik, da statistisch gesehen etwa 25 Prozent der Schüler diese Kompetenzen verfehlen. Wir wollen die jungen Menschen fit für den Arbeitsmarkt machen und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Diese Herausforderung, die die Ausbildungsfähigkeit betrifft, sehen wir auch im Kontext der Nachwirkungen der Coronazeit.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft und den Innungen?
Wir sind in einem engen und guten Austausch, nicht nur bei Veranstaltungen wie dem Neujahrsempfang. Mit der Kfz-Innung arbeiten wir eng an der gemeinsamen Abschlussfeier, die in unserem Haus stattfindet. Aktuell führen wir Gespräche über die Digitalisierung der Prüfungen bei uns. Zudem sind unsere Kollegen in den Prüfungsausschüssen aktiv, was den fachlichen Austausch über Lern- und Prüfungsinhalte sichert. Ich betone immer wieder: Das Handwerk leistet Großartiges für unsere Gesellschaft und ist gerade in Essen sehr aktiv, präsent und gut vernetzt.

Die Technik, gerade im SHK- und Kfz-Bereich, entwickelt sich rasant. Wie stellen Sie sicher, dass das BKM fachlich auf dem neuesten Stand bleibt?
Das ist eine stetige Herausforderung, die wir vor allem über Lehrerfortbildung bewältigen. Da technische Fortbildungen oft sehr teuer sind und die Budgets dafür gering, sind wir auf das hohe Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Sie sind hochmotiviert, vernetzen sich aktiv mit Betrieben und besuchen Fortbildungen, teilweise auf eigene Kosten. Besonders erfreulich ist, dass wir junge Lehrkräfte haben, die direkt aus dem Handwerk oder der Industrie kommen und frisches Fachwissen mitbringen. Im SHK-Bereich beispielsweise vernetzen sich Kollegen mit Firmen, besuchen Lehrgänge und integrieren die neuen Erkenntnisse in unsere schulinternen Bildungspläne.

Welche Bildungsangebote gibt es bei Ihnen und wie verteilen sich Ihre Schüler auf diese. Gibt es Trends? 
Wir bieten das gesamte Spektrum von der Ausbildungsvorbereitung und dem ersten Schulabschluss, der früher als Hauptschulabschluss bekannt war, bis Fachschule für Technik mit Abschluss BA Professional. Von unseren rund 1.900 Schülern machen mehr als die Hälfte eine duale Ausbildung. Das hat sich in den letzten Jahren eigentlich nicht verändert. 

An wen richtet sich die Fachschule für Technik?
Am BKM kann man die Fachschule für Technik mit Fachrichtung Kfz-Technik und Fachrichtung Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik besuchen. Die Fachschulen richten sich somit primär an ausgebildete Kfz-Mechatroniker sowie Anlagenmechaniker. Die Studierenden schließen mit dem Titel „Bachelor Professional“ ab. Wir bieten das Studium in zweijähriger Vollzeit oder in vierjähriger Teilzeit an. Man kann also diese besondere Form der beruflichen Weiterbildung berufsbegleitend absolvieren. Es ist eine wertvolle Zusatzqualifikation, bei der sich die Studierenden „für übergreifende oder spezielle Aufgaben koordinierender, gestaltender, anleitender oder pädagogischer Art“ qualifizieren, wie es die entsprechenden Bildungspläne definieren. Wie die Meisterschule erweitert die Fachschule für Technik die beruflichen Kompetenzen der Fachkräfte.

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik hätten, wie könnte die berufliche Bildung nachhaltig gestärkt werden?
Die Einführung des Startchancen-Programms zeigt, dass die Politik die akuten Themen und Herausforderungen von Schulen kennt. Dennoch hat das Berufskolleg politisch gesehen zu wenig Lobby. Man muss sich vergegenwärtigen, dass über 70 Prozent der Schüler der Sekundarstufe II ein Berufskolleg besuchen. Um die berufliche Bildung weiter zu stärken, wäre es sinnvoll, das Berufskolleg enger zwischen dem Schul- und Bildungsministerium (MSB) und dem Arbeitsministerium (MAGS) zu verorten. Dies würde einen noch engeren Austausch aller Akteure der beruflichen Bildung ermöglichen und die Handlungsfähigkeit in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen für einen zukunftsfähigen Arbeitsmarkt weiter erhöhen.

Was motiviert Sie bei Ihrer täglichen Arbeit?
Ich bin ursprünglich Diplomtheologe und wollte eine Zeit lang Priester werden, habe dann aber über ein Modellprojekt als Quereinsteiger den Weg ans Berufskolleg gefunden, wo ich Deutsch und Religion unterrichte. Meine Arbeit macht mir unheimlich viel Freude, vor allem die Begegnung mit den jungen Menschen und die Zusammenarbeit mit meinem 70-köpfigen Kollegium und unseren Partnern. Ich stehe morgens gerne auf, weil ich weiß, dass wir als Team viel erreichen. Ich erlebe die Zusammenarbeit mit allen Kooperationspartnern als unheimlich konstruktiv. Unser Ziel bleibt, die Lebenswege der jungen Menschen ein Stück weit zu begleiten und sie fit für ihren weiteren Weg zu machen.

Vielen Dank! 
Gespräch: Jörn-Jakob Surkemper
Bild: Kerstin Bögeholz 

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