Der Service macht den Unterschied

Die Kundenanforderungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert, das ist in allen Bereichen des Handwerks spürbar. Wie gehen die Betriebe damit um?

Der Sturm in der vergangenen Nacht war heftig, jetzt liegen zwei zerbrochene Dachziegel im Garten. Ansonsten ist zum Glück nichts passiert, der Versicherungsschaden ist schnell gemeldet. Aber wie geht es nun mit dem Dach weiter? Es sollte schließlich zeitnah in Ordnung gebracht werden. Hier sind viele Eigenheimbesitzer im Zweifel: Lohnen sich solche Kleinaufträge für Handwerksbetriebe? Kommen Profis dafür überhaupt noch „raus“? Dirk Sindermann gibt eine klare Antwort auf diese Frage: „Das Dachdeckerhandwerk steht auch bei vermeintlich kleinen Schäden wie ein paar fehlenden Dachziegeln in der Pflicht, schnell und zuverlässig Hilfe zu leisten – nicht nur im Sinne der Verkehrssicherungspflicht, sondern vor allem, um größere Schäden am Gebäude rechtzeitig abzuwenden“, so der Dachdeckermeister aus Dortmund, seit März Vizepräsident des Zentralverbands ZVDH. Viele Innungsbetriebe organisieren sich laut Sindermann so, dass sie auch Kleinreparaturen wirtschaftlich und zuverlässig abbilden können. „Natürlich erfordert das einen unternehmerischen Willen, solche Aufträge ernst zu nehmen und intern effizient umzusetzen. Der Aufwand ist da – aber der Bedarf ist größer denn je.“


Werkstatt- und Maschinenzeiten anbieten
Bei der Essener Sudiowerk GmbH, Werkstatt und Planungsbüro für Innenausbau und Möbel, entstehen immer wieder neue Service-Ideen. „Oft sind wiederkehrende Kundenwünsche der Auslöser“, sagt Geschäftsführer Fabian Füllgräbe. Weitere Inspirationsquellen sind der Austausch mit Partnern und anderen Gewerken, die Beobachtung des Markts in Sachen Materialien, Techniken und Trends sowie eigene Erfahrungen in der Werkstatt: „Wenn wir merken, das müsste doch auch einfacher gehen“. Als zusätzliche Services bieten Fabian Füllgräbe und sein Team unter anderem auch Lohnfertigung (CNC, Zuschnitt) für Kollegenbetriebe und Architekturbüros und die Vermietung von Werkstatt- und Maschinenzeit als „Makerspace“ an. Ein weiterer Punkt ist die Unterstützung bei Ausschreibungen und Projektplanung für Architekten. „Stark nachgefragt wird die Innenarchitektur und komplette Konzeptentwicklung aus einer Hand“, so der Fachmann.

Kitt zwischen Kunde und Betrieb
Für Sindermann ist Service „der Kitt zwischen den großen Projekten – und oft entscheidend für die langfristige Kundenbeziehung“. Das kennt jeder Kunde: Wer erreichbar ist, verständlich kommuniziert, transparent dokumentiert und zuverlässig Rückmeldung gibt, bleibt im Kopf. „Viele Kunden erinnern sich nicht an das günstigste Angebot, aber an den Handwerksbetrieb, der auf Augenhöhe berät und sich kümmert“, meint der Verbands-Vize. „Im Dachdeckerhandwerk gehört dazu auch der wiederkehrende Kontakt über Wartungsvereinbarungen, saisonale Checks oder smarte Kundenportale. Besonders in einem Markt, in dem Vertrauen ein zentrales Entscheidungskriterium ist, kann guter Service – auch bei kleinen Aufträgen – die Grundlage für große Projekte von morgen sein.
„Während der klassische Neubau schwächelt, nehmen Modernisierungen, energetische Sanierungen und Photovoltaik-Integrationen deutlich zu. Hier verbinden sich Handwerk, Klimaschutz und Werterhalt von Bestandsimmobilien auf ideale Weise.“ Die Betriebe positionieren sich so zunehmend als Ansprechpartner für ganzheitliche Dach- lösungen – von der Abdichtung über die Dämmung bis zur Stromerzeugung. Hinzu kommen Synergien mit Klempnerei, Holzbau oder Wartung, die das Portfolio verbreitern. „Das Handwerk ist dort stark, wo Substanz erhalten und Zukunft gebaut wird – und das ist im Bestand“, sagt Sindermann. Und dabei sind eben auch mal „kleinere“ Reparaturen gefragt.

Was ist mit defekten Geräten?
Neben Schäden an Autos und Immobilen sind es streikende Elektrogeräte, die oft den Wunsch nach schneller Hilfe auslösen. „Ich persönlich bin der Meinung, dass bei Elektrogeräten wieder viel mehr Wert auf Wertigkeit und eine lange Lebensdauer gelegt werden sollte. Das macht diese Produkte zwar teurer, aber die Industrie würde auch in die Lage versetzt werden, aufwandsgerechte Entschädigungen an Servicewerkstätten und Betriebe zu entrichten“, sagt dazu Andreas Baumann, Geschäftsführer der Euronics XXL Baumann GmbH in Bayreuth und Vizepräsident beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). „Ein höherer Anschaffungspreis bedeutet auch, dass eine Reparatur wieder eher in Betrachtung gezogen wird. Produkte sind heute zum Teil so preiswert, dass ein Neukauf im Falle eines Ausfalls gar nicht hinterfragt wird.“

Neues „Recht auf Reparatur“
Reparaturboni, wie es sie vereinzelt schon gibt, tragen seiner Meinung nach ebenfalls dazu bei, dass Menschen sich häufiger für Reparaturen entscheiden. Und künftig könnte das von der EU geforderte „Recht auf Reparatur“ mehr Impulse geben, langlebige Geräte zu kaufen: Wer längere Gewährleistungs- oder Garantielaufzeiten anbietet, schafft Anreize für regelmäßigen Service – so wie es im Kfz-Gewerbe mit Garantieverlängerungen auf fünf, sieben oder mehr Jahre schon lange üblich ist. Eine Win-Win-Situation: Der Kunde verschafft sich längere Sorglosigkeit, der Betrieb regelmäßige Service- und Wartungsaufträge. Und am Ende ist es nachhaltiger zu reparieren, als Geräte beim ersten größeren Defekt nach Ablauf der Garantiefrist wegzuwerfen.

Was Kunden erwarten
Fest steht: Die Kunden von heute – die per Handy Reisen buchen, Gebrauchtwagen mit wenigen Klicks vergleichen und sich die neueste Mode über Nacht liefern lassen – haben ein anderes Service-Verständnis als noch vor 10 oder gar 20 Jahren. Zweifellos eine Herausforderung für das Handwerk, aber zugleich auch eine Chance. Denn die Bandbreite an neuen Services, mit denen man punkten kann, ist groß. Das gilt besonders in Bereichen, die durch einen starken Wandel geprägt sind wie Energie und Nachhaltigkeit. Energie- und Fördermittelberatung, die Planung und Installation von PV-Anlagen und Stromspeichern oder das Umrüsten von Haushalten auf „Smart Home“ sind nur einige Beispiele. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – ein weiteres Megathema – braucht es individuelle und fachgerechte Lösungen, um länger in den eigenen Wänden bleiben zu können, etwa durch altersgerechte Bäder.

Bitte „alles aus einer Hand“!
Und grundsätzlich scheint mehr denn je zu gelten: Bitte alles aus einer Hand! Das zeigt sich unter anderem an Handwerker-Services, wie sie von großen Baumarkt-Ketten angeboten werden. Beispiel Hornbach: Das Unternehmen setzt dafür auf anerkannte Handwerksbetriebe aus der jeweiligen Region, etwa für Badsanierungen mit Produkten aus dem eigenen Sortiment. „Lange Handwerkersuche oder aufwendige Vergleiche entfallen“, nennt Benjamin Hoffmann, Leiter Handwerkerservice Hornbach Deutschland, den Vorteil für die Kunden. Hornbach ist Vertragspartner und kümmert sich, je nach Projekt, auch als Generalunternehmen um die Abwicklung – also auch um die Terminfindung. Bereits bei der Auswahl der Servicepartner werde darauf geachtet, dass Qualitätsstandards erfüllt sind. „Zudem bieten wir Produkt- und Montageschulungen an.“ Außendienstmitarbeiter überprüfen zudem regelmäßig die Arbeiten. „Dies geschieht durch Baustellenbesuche und durch kontinuierliche Kundenbefragungen.“ Doch wo liegen die Vorteile für die Betriebe? Wie rechnet sich diese Zusammenarbeit für sie? „Die Partnerbetriebe profitieren von zusätzlichen Kunden, ohne Geld für Werbung ausgeben zu müssen“, sagt Hoffmann. Hornbach bezahle pünktlich nach Auftragsabwicklung – unabhängig davon, ob der Kunde bereits bezahlt hat. Natürlich sind die Baumärkte an der Stärkung ihrer Kundenbindung interessiert. Hoffmann sieht aber auch eine Stärkung des lokalen Handwerks: „Eine gute Servicepartnerschaft beruht auf Gegenseitigkeit und einem offenen Austausch.“

Service mit Eventcharakter
Die veränderten Kundenanforderungen sind in allen Bereichen zu spüren – auch beim Friseurhandwerk. „Die Kunden sind in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden und erwarten für ihr Geld eine herausragende Dienstleistung, eine tolle Atmosphäre und angenehme Umgebung mit Kaffee und am liebsten einen Prosecco“, sagt Mike Engels, stellv. Verbandsvorsitzender beim Friseur- und Kosmetikverband NRW. „Oder sie gehen eben zu einem besonders preiswerten Friseur und geben sich damit zufrieden, was sie erhalten. Hier regelt der Markt den Bedarf und den finanziellen Rahmen. Nicht fehlen darf der Eventcharakter, etwa bei den Vorbereitungen für den „schönsten Tag des Lebens“: „Manche Betriebe zelebrieren die Hochzeitsfrisur inklusive Make-up und Deko. Hier gibt es ein Rundum-Sorglos-Paket.“ Die größte Herausforderung sieht Engels darin, für solche Dienstleistungen überhaupt die nötigen Kapazitäten zu haben. „Es wird immer schwieriger, Fachpersonal zu bekommen. Selbst geeignete Auszubildende sind kaum zu finden. Also muss das vorhandene Personal hervorragend geschult werden, um die Ansprüche der Kundschaft zu erfüllen.“ Seine Meinung dazu: „Haare schneiden kann im Prinzip jeder. Es kommt auf die Art und Weise an, wie man es macht.“

Die große Zukunft des Service
Das große Potenzial beim Service zeigt sich beispielhaft in der IT-Branche: Hier hat sich längst der Gedanke etabliert, umfassende Produktnutzungen zu mieten. Statt in teure Technik zu investieren („Mein Server in meinem Keller“), bezahlen Kunden meist nur noch eine funktionierende Dienstleistung. Hier lässt sich also von der IT-Branche lernen. Was als „Software as a Service“ begann, hat inzwischen in vielen weiteren Wirtschaftsbereichen Nachahmer gefunden – von den schon stark verbreiteten Komplettlösungen im Bereich Mobilität über Maschinen plus Wartungsvertrag bis hin zu Haustechnik, die auf Dauer gemietet wird wie z.B. eine Photovoltaik-Anlage. Ganz offensichtlich treffen solche Angebote zielgenau die Kundenwünsche. Es lohnt sich demnach, auch für den eigenen Betrieb über Dienstleistungen dieser Art nachzudenken – natürlich jeweils auf die personellen und fachlichen Möglichkeiten individuell zugeschnitten.

„Everything as a service“
Nicht von ungefähr heißt es beim Baden- Württembergischen Handwerkskammertag: „Der Trend zu ,Everything as a Service’ muss von Handwerksbetrieben aktiv aufgegriffen und unterstützt werden, indem sie sich systematisch zum kompetenten Dienstleistungspartner weiterentwickeln, der dem Kunden den größtmöglichen Nutzen liefert, für den dieser auch bereit ist zu zahlen.“
Daniel Boss

Foto: Andre Chrost

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