Appell aus der Wärmewirtschaft:
Technologieoffenheit, Machbarkeit und Effizienz müssen
kommunale Wärmeplanung bestimmen
Für ein Vorgehen mit Augenmaß und Pragmatismus bei der kommunalen Wärmeplanung haben sich verschiedene Essener Institutionen bei einem Gespräch im Haus des Handwerks ausgesprochen.
Dort formulierten Vertreter von Kreishandwerkerschaft, Gas- und Wärme-Institut Essen e. V., Stadtwerke Essen AG, sowie Haus & Grund konkrete Vorschläge an Politik und Verwaltung in Essen und appellierten, die kommunale Wärmeplanung nicht vorzeitig, das heißt nicht vor dem 30. Juni 2026, rechtsverbindlich zu machen. Man wolle sich konstruktiv in den Prozess über die Umsetzung hinaus einbringen.
„Wir wollen nicht am Ziel der Klimaneutralität rütteln, aber sie muss auch machbar und bezahlbar sein. Nur mit Fernwärme und Wärmepumpen allein wird das bis 2040 nicht flächendeckend funktionieren“, sagte Kreishandwerksmeister Martin van Beek und warb stattdessen in einem ersten Schritt für einen schleunigen Austausch alter Gas- Niedertemperaturkessel gegen moderne Brennwertgeräte. „Damit ließe sich kurzfristig und mit überschaubaren Investitionen eine große Erdgas- und CO2-Einsparung erzielen“, so der Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister mit Betrieb in Essen. In Deutschland seien noch rund sechs Millionen Niedertemperaturkessel in Betrieb. Ihr Austausch gegen moderne Brennwertgeräte würde 47 TWh Energie einsparen, was ca. 10 % des gesamten Energieverbrauchs für Raumwärme entspreche, zitierte van Beek Zahlen des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW). Allein in Essen dürften noch zigtausende Niedertemperaturkessel in Betrieb sein, schätzt der Kreishandwerksmeister.
Moderne Brennwertgeräte könnten zudem schon heute mit 20 Prozent Wasserstoff- Beimischung betrieben werden, einige sogar – nach einer kostengünstigen Umrüstung – mit 100 Prozent.
Rückendeckung erhält der Handwerksvertreter u. a. von Dr. Rolf Albus:
„Aus Analysen wissen wir, dass – regional abhängig – bis zu 40 Prozent der Energieversorgung auch zukünftig über Erneuerbare Gase erfolgen wird. Dies gilt vor allem für die Industrie, die deutschlandweit zu 50 Prozent am Gasnetz angeschlossen ist und für die es keine Elektrifizierungsstrategie gibt. Dabei wird insbesondere grüner Wasserstoff eine Schlüsselrolle spielen.“
Dr. Rolf Albus, geschäftsführender Vorstand des Gas- und Wärme-Instituts Essen e. V.
Er ist überzeugt, dass dieser in absehbarer Zeit in ausreichender Menge und zu bezahlbaren Preisen auch als Ersatz für Erdgas zur Verfügung stehen werde. Auch das Potenzial von Biogas, das fossiles Methan im Erdgasnetz ersetzen kann, sei noch nicht ausgeschöpft.
Diesen Weg gehen auch die Stadtwerke Essen: In diesem Jahr mischen sie ihrem Erdgas erstmals Biogas aus einer Vergärungsanlage in Kettwig bei. Inwieweit dies künftig auch mit grünem Wasserstoff technisch möglich ist, wird noch geprüft. „Wir halten unsere Netze grundsätzlich in gutem Zustand“, betonte Dr. Frank Pieper, neuer Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Essen.
Einhellig wünschten die Teilnehmer der Runde Technologieoffenheit bei der notwendigen Wärmewende – zumindest so lange wie gesetzlich möglich. „Die Verunsicherung bei dem Thema ist groß“, weiß Haus & Grund-Geschäftsführer Andreas Noje, bei dem im vergangenen Jahr die Telefone wegen des „Heizungsgesetzes“ heiß liefen. „Die Menschen brauchen Zeit, um wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. Sonst sind wir wieder da, wo wir vor zwei Jahren waren“, sagt er.
Hintergrund für das Treffen ist das viel diskutierte Gebäudeenergiegesetz (GEG), das seit Anfang des Jahres in Kraft ist, faktisch aber erst greift, wenn die kommunalen Wärmeversorgungsgebiete gemäß KWP definiert worden sind. Erst dann muss jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die kommunale Wärmeplanung wiederum muss in Städten ab 100 000 Einwohnern bis spätestens 30. Juni 2026 vorliegen, so also auch in Essen. Die Stadt hat die Vorstellung erster Planungen für Frühjahr dieses Jahres angekündigt.
So wünschenswert frühzeitige Ergebnisse sicher sein mögen, eine Rechtsverbindlichkeit vor Ablauf der Frist wäre eher kontraproduktiv, war man sich bei dem Treffen im Essener Haus des Handwerks einig. Bürger und Unternehmen würden dadurch früher als in anderen Kommunen in ihren Investitionsentscheidungen beschränkt.
Essen, 30. Januar 2024 I/Da; Telefon: 0201.32008-11